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Wundverschluss und Versuche zur Wundbehandlung
Wunden sind Eintrittspforten für Krankheiten und so eine Gefahr für den Baum. Beim Baumschnitt entstehen zwangsläufig Wunden und auch Schafe auf der Streuobstwiese haben schnell einmal ein Stück Rinde abgeknabbert. Was passiert dann im Baum? Wovon wird die Wundheilung beeinflusst und gibt es Möglichkeiten, sie zu fördern?
Wie läuft die Wundheilung ab?
Es finden zwei unterschiedliche Prozesse bei der Wundheilung statt. Zum einen die Abschottung im Holz, zum anderen bildet sich neue Rinde und „überwallt“ die Wunde. Vorwiegend erfolgt die Überwallung ausgehend vom Wundrand. Aber auch auf der Wundfläche bilden sich unter bestimmten Voraussetzungen neue Rindenzellen. Beide Prozesse werden im Folgenden näher erklärt.
Abschottung:
Abschottung, auch Kompartimentierung genannt, geschieht innerhalb der Holzschichten zum Schutz des aktiven Gewebes des Baumes. Über die Wunde dringt Luft in die Leitungsbahnen ein. Dadurch werden sie funktionsunfähig. Gegen die Ausbreitung eindringender Erreger bildet der Baum Gummieinlagerungen in den Tracheen und Tracheiden des Xylems. Oberhalb und unterhalb der Wunde verschließt der Baum die Leitungsbahnen mit Thyllen (= Ausstülpungen benachbarter Zellen). Diese werden mit Suberin, einer antimikrobiellen Substanz, angereichert. Die Zellen um die Wunde herum trocknen aus oder koagulieren (= gerinnen, werden fest). Außerdem wird an der Grenzschicht zwischen lebendem und totem Gewebe Lignin in die Zellen eingelagert. Die metabolische Aktivität (= Stoffwechselaktivität) um die Wunde erhöht sich. Abwehrstoffe, wie Phenole, Flavanoide und Terpene werden gebildet. In Richtung Holzkern schützen Spätholzschichten vor der Ausbreitung eindringender Erreger, die seitliche Ausbreitung erschweren die Markstrahlen. Apfelbäume sind schwache Kompartimentierer. Das bedeutet, sie neigen im Vergleich zu beispielsweise Buche und Eiche (effektive Kompartimentierer) eher zu Stammfäule insbesondere bei Verletzung des Kernholzes.
Überwallung:
Kallusgewebe bildet sich am lebenden Kambium am Wundrand und beginnt von dort aus, die Wunde zu überwallen. Die Zellen dieses Gewebes differenzieren sich zu rindenbildendem Korkkambium einerseits und dem Phloem- und Xylem-bildendem Wundkambium andererseits. Die Zellen des Wundxylems sind, im Vergleich zum gewöhnlichen Xylem, unregelmäßig und haben eine andere Größe. Daher sind die neuen Leitungsbahnen kürzer und enger. Auch das Wundphloem unterscheidet sich vom gewöhnlichen Phloem, durch einen höheren Anteil an parenchymatischen Zellen mit höheren Gehalten an Polyphenolen und einer veränderten Ausrichtung der Zellen, solange die Wundfläche nicht überwachsen ist. Bis zum Überwallen der Wunde bildet das Wundphloem so eine Barriere. Die durch das Wachstum des Kallusgewebes entstandenen Überwallungswülste bilden sich seitlich stärker aus als an der Ober- und Unterseite der Wunde. Unter bestimmten Bedingungen kann sich ein Flächenkallus bilden. Dafür benötigt die Wundfläche reaktionsfähige Zellen und eine gesättigte Luftfeuchtigkeit. Sobald die komplette Wundfläche überwachsen ist, breiten sich schädliche Mikroorganismen im Holz nicht mehr aus, da sie vom Sauerstoff abgeschnitten sind. Daher ist anzustreben, dass dies möglichst schnell erfolgt.
Einflussfaktoren auf die Wundheilung
- Die Wundheilung und Reaktion auf Behandlung sind art-, sorten- und individuenabhängig.
- Die Größe der Wunde beeinflusst die Heilungsdauer erheblich.
- Die Wundheilung hängt von der Vitalität des Baumes ab.
- Der Zeitpunkt der Verletzung ist wichtig: Frühjahrswunden heilen schneller als Herbstwunden.
- Hohe Temperaturen beschleunigen Wundheilungsprozesse. Wundgewebe ist frostempfindlich.
- Es wird vermutet, dass dauerhaft hohe oder dauerhaft niedrige Feuchtigkeit hinter der Wunde positiven Einfluss auf die Entwicklung der Wunde hat.
- Die Standorteigenschaften und die Düngung haben ebenfalls Einfluss auf die Wundheilung.
Ziele einer Wundbehandlung?
Streuobstbewirtschafterinnen und Streuobstbewirtschafter haben die Möglichkeit, die Wundheilung zu verbessern. Eine Wundbehandlung zielt darauf ab, den Heilungsprozess zu fördern und eine zusätzliche Hürde für Krankheitserreger darzustellen. Besonders die Schließung offener Flächen durch Flächenkallusbildung wird angestrebt. Die Flächenkallusbildung ist davon abhängig, wie viele reaktionsfähige Zellen noch auf der Fläche vorhanden sind und nur bei Rindenschäden, nicht bei Astwunden möglich. Durch Wundbehandlung sollen die Zellen feucht gehalten und so vor dem Absterben geschützt werden.
Mögliche Wundbehandlungen
Es gibt verschiedene Arten der Wundbehandlung und -abdeckung: Lehm, Folie, Vlies, Wachse, Fette und chemische Verschlussmittel. Einige in der Vergangenheit verwendete chemische Mittel erwiesen sich als giftig für den Baum. Von aushärtenden Kunststoffdispersionen (= Kunststoffgemische) raten Fachleute meist ab, da sie mit der Zeit Risse bilden und sich unter der vermeintlichen Schutzschicht ein gutes Milieu für Pilzwachstum entwickelt.
In einem Versuch verglich Axel Kunze, Student der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, die Wundabdeckung durch Lehm, Folie, und Vlies an Malus domestica 'Bittenfelder Sämling'. Nach gut einem halben Jahr entfernte Axel Kunze die Wundabdeckung und bestimmte den Anteil verschlossener Wundfläche.
Die drei untersuchten Behandlungsmethoden und ihre Wirkung im Versuch
Lehm
Lehm wird seit tausenden Jahren zur Wundbehandlung an Gehölzen angewandt. Historische Rezepturen beinhalten oft Lehm vermischt mit Mist (Kuh-, Schweine-, Taubenmist). Dem Mist wird teilweise eine heilende Wirkung oder Beschleunigung der Überwallung durch Wuchsstoffe zugeschrieben. Weitere Zusätze wie Spreu, Tierhaare, Myrrhe, Aloe oder Schwefel werden ebenfalls eingesetzt.
- Vorteile einer Lehmbehandlung sind niedrige Materialkosten (vor allem bei lehmigen Flächen ) und ökologisch Unbedenklichkeit. Nachteile einer Lehmbehandlung sind, dass die Lehmschicht bei Regen abwaschgefährdet ist und ein Versteck für Blutläuse bietet. Da vor allem das Feuchthalten in ersten Wochen nach der Verletzung für eine Flächenkallusbildung entscheidend sind, ist das Abwaschen des Lehms mit der Zeit jedoch nicht so tragisch.
- Lehm sollten anwendende Personen möglichst schnell nach der Verletzung aufgetragen. Lockere Rindenteile müssen vorher entfernt werden. Ein Lehmverband soll vor Austrocknung und Abwaschung geschützt werden, z.B. mit Tuch oder Leinen. Für die Lehmbreibehandlung wird reiner Lehm ohne Steine und Sand empfohlen. Der Verband bleibt möglichst lange am Baum und muss feucht gehalten werden. In seinem Versuch bestrich Axel Kunze den Stamm mit Lehm, umwickelte ihn mit einem Jutewickel und bestrich ihn anschließend erneut mit Lehm. Den Jutewickel fixierte Kunze mit Klebeband am Stamm.
- Versuchsergebnis: Kunze beobachtete einen Wundverschluss zwischen 39 % und 55 % der ursprünglichen Wundfläche. Es fand eine deutliche Kallusbildung im seitlichen Bereich, aber kaum am oberen und unteren Wundrand statt. Feuchtigkeit blieb sichtbar hinter dem Verband erhalten. Bei drei der sechs Wiederholungen gab es einen Blutlausbefall.
Folie
Die Verwendung von Folie ist ein moderner Ansatz, der im Baumpflegebereich etabliert ist. Für Obstgehölze gibt es wenige Forschungsergebnisse. Studien an anderen Baumarten zeigten, dass schwarze Folie den Befall mit holzzersetzenden Pilzen reduzierte. Praxisberichte zeigen gute Ergebnisse mit schwarzer Stretchfolie, die abgelöste Rindenteile wieder anpresst. Längere Folienbehandlung birgt jedoch die Gefahr von Einschnürungen, Vergrößerung von Lentizellen (= Öffnungen für Gasaustausch) und der Adventivwurzelbildung (= Bildung aus dem Stamm kommender Wurzeln).
Axel Kunze wickelte eine 80 µm dicke, schwarze, lichtundurchlässige und wasserdampfdichte Folie zweimal straff um den Baum und fixierte sie oben und unten mit einem Klebeband. Die verwendete Spezialfolie ist aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und zersetzt sich innerhalb von zwölf Monaten. Auch der Einsatz von schwarzer Strechfolie aus der Verpackungsindustrie ist möglich.
Versuchsergebnis: Unter der Folie zeigte sich der schnellste Wundverschluss (51 % bis 80 % der Wundfläche) mit sichtbar verstärktem Kalluswachtum. Die neugebildete Oberfläche war jedoch besonders am oberen Wundrand wulstig, warzig und faltig. Die im Versuch verwendete, speziell entwickelte Folie sollte sich zersetzen, war aber nach acht Monaten nur löchrig. Das Klebeband zur Fixierung versagte und musste ersetzt werden, was möglicherweise die Dampfdichte beeinträchtigte. Auch hier beobachtete Kunze bei einer der sechs Wiederholungen Blutläuse.
Vlies
Vlies ist flexibel und passt sich an das Kalluswachstum an. Die Feuchtigkeit hinter dem Vlies ist aufgrund der diffusionsoffenen Struktur niedriger als bei Folie und Lehm. Die Materialkosten sind im mittleren Bereich.
Axel Kunze verwendete ein zum Abdecken von Hackschnitzel- und Kompostmieten entwickeltes Agrarvlies mit einer Dichte von 200 g/m², 2,2 mm dick und einer Wasserdurchlässigkeit von 85 mm/s. Er brachte es einlagig auf der verwundeten Stelle an. Oben und unten am Stamm, sowie rückseitig an der Überlappungsstelle befestigte er es mit Maisstärkeklebeband.
Versuchsergebnis: Die Wundverschlussrate nach einem Jahr lag zwischen 39 % und 55 %. Es zeigte sich eine knorpelige, faltige Oberfläche am oberen und unteren Wundrand, während die seitliche Kallusbildung eher eben war. Der seitliche Überwallungswulst war etwas stärker ausgeprägt als der Obere und Untere.
Vergleich ohne Wundbehandlung
Zur Kontrolle hatte Axel Kunze Bäume unverletzt gelassen, um den Trieb zu vergleichen. Außerdem hatte er eine Kontrollgruppe mit Verletzung aber unbehandelter Wunde. Hier zeigten sich Überwallungswülste mit ebener Oberfläche und einem geradlinig verlaufenden Geweberand fast ausschließlich an den seitlichen Wundrändern. Die offene Holzfläche hatte dunklere Verfärbungen, teilweise gab es kleinere fast schwarze Flächen.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass keine der im Versuch untersuchten Methoden der Wundbehandlung eindeutig als "die beste" für Malus domestica hervorging. Die Tendenz zum schnelleren Verschluss durch Folie steht den Nachteilen der deformierten Kallusbildung und des Schädlingsbefalls gegenüber. Die Lehmbehandlung hat ökologische und kostentechnische Vorteile sowie eine lange Tradition, birgt aber ebenfalls das Risiko von Schädlingsquartieren und kann bei Regen abgewaschen werden. Die unbehandelte Wunde ist in Bezug auf Schädlinge vorteilhaft, zeigt aber möglicherweise eine stärkere Holzverfärbung. Es ist zu bedenken, dass die Ergebnisse dieses Versuchs nicht direkt auf Schnittwunden zu übertragen sind.