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Streuobst für angehende Landwirtinnen und Landwirte: Auch im Lehrplan?
Sie kennen Boden, Maschinen und Pflanzen: Landwirtinnen und Landwirte sind bestens ausgestattet, um bei der Streuobstbewirtschaftung kräftig anzupacken. Doch lernen Sie es auch in der Lehrzeit? Streuobst-News will es genauer wissen, wie Streuobst in der landwirtschaftlichen Ausbildung erfolgreich etabliert wird und fragt eine Schule, die sich auskennt. Die Landwirtschaftliche Fachschule Klessheim im Bundesland Salzburg (Österreich) setzt auf Streuobstunterricht. Damit gewann sie bereits Anfang 2024 beim österreichweiten Wettbewerb von Blühendes Österreich und der Billa-Stiftung.
Burgi Kaiser, Direktorin der Fachschule Klessheim (FK) und die beiden Lehrerinnen Marianna Nöbauer und Vicotria Hauer geben Einblicke, wie sie Streuobst gezielt in die Lehrzeit einbauen.
- Der Schule: Landwirtschaftliche Fachschule Klessheim
- Das Projekt: Streuobst in der landwirtschaftlichen Ausbildung
Streuobst-News (SN): Frau Kaiser, Frau Nöbauer, Frau Hauer, hinter Streuobstbeständen stehen immer engagierte Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter. Landwirtschaftliche Betriebe sind dafür bestens ausgerüstet. Was ist der Grund, Streuobst an Ihre Schule „zu holen“?
FK: Seit es die Schule gibt, gibt es auch Streuobstwiesen an der Schule. Streuobstwiesen gehören seit jeher zur Salzburger Landwirtschaft und Kulturlandschaft. Vor 100 Jahren gab es noch ca. 90 % mehr an Streuobstbäumen als jetzt. Früher galt das eigene Obst als wichtige Zusatznahrungsquelle, die Menschen lagerten Produkte für den Winter ein. Dies veränderte sich über die Jahre. Obst, speziell Streuobst, galt als nebensächlich, ja sogar lästig.
In den letzten Jahren gibt es wieder eine Erholung und mehr Menschen erkennen den Wert des Streuobstes wieder. Schließlich bieten Obstbäume ja nicht nur Früchte, sondern auch Lebensraum für viele Insekten, Schmetterlinge, Vögel und auch Reptilien. Auch das Thema „Agroforst” wird hinsichtlich des Klimawandels bedeutender. Dies erkennen auch Fördergeber, wodurch auch das wirtschaftliche Interesse wieder steigt. Auch die Erhaltung von alten Sorten, aber auch die Anpflanzung neuer, resistenter Sorten ist spannend. Nur wer heute pflanzt, wird auch in den nächsten 20 oder 50 Jahren ernten!
SN: Ist Streuobst bei Ihnen im Lehrplan verankert? Gibt es für jeden Jahrgang verpflichtende Einheiten zum Streuobstbau?
FK: Ja, es gibt den praktischen Unterricht „Direktvermarktung“ und „Obstbau“. Hier lernen die Schülerinnen und Schüler neben der Baumpflanzung, Pflege und dem Obstbaumschnitt auch das Pressen des Obstes zu Apfelsaft, das Einmaischen und das Schnapsbrennen.
SN: Welche Bausteine umfasst Ihr Streuobstunterricht?
FK: Wir vereinen Theorie und Praxis im Fach Obstbau. Wie wir alle wissen, funktioniert Wissensvermittlung am besten am lebenden Objekt, sprich Baum oder Obst. Lernen passiert mit Emotion: Wir lassen die Schülerinnen und Schüler verschiedene Apfelsorten verkosten oder selbst einen Apfelsaft pressen. Das lehrt ihnen oft mehr als die Theorie. Natürlich ist das theoretische Know-How auch wichtig und dient als Stütze, um Entscheidungen zu argumentieren. Den Schülerinnen und Schülern soll klar sein, WARUM sie WAS machen und WIE sie es am besten angehen.
SN: Wie kommt das Thema Streuobst bei den Schülerinnen und Schülern an?
FK: Das Interesse ist groß. Die Schülerinnen und Schüler haben meist am elterlichen Betrieb auch Obstbäume, deshalb ist der Bezug da. Oft ist für die Pflege der Obstbäume am elterlichen Betrieb die ältere Generation (also Opa und Oma) zuständig. Die Schüler wenden ihr erlernten Wissen aber natürlich gern zuhause an. So ein Baum ist ja eigentlich generationenverbindend (sie lächeln), meist gepflanzt von den Großeltern bzw. den Urgroßeltern und oft ja schon bis zu 80, 90 Jahre alt. Wenn das Obst dann auch noch selbst veredelt wird, ist das ein toller Mehrwert.
SN: Sie haben Anfang des Jahres für Ihr Engagement 6.000 Euro beim österreichischen Streuobstwettbewerb gewonnen. Braucht es zwingend eine Förderung?
FK: Mit einer solchen Förderung schaffen wir wieder z.B. neue Bäume an. Weiters sind wir dadurch in der Lage, Themen wie Veredelung, Anlage von Spalierobstreihen oder die Verarbeitung des Obstes zu den verschiedensten Produkten (Apfelchips, Essig, Cider,…) zu finanzieren. Das Feld „Obstbau“ ist ja riesig.
SN: Haben Sie einen Tipp für andere Ausbildungsstätten, die planen, Streuobst in Ihren Unterricht integrieren?
FK: Das hängt stark von den zur Verfügung stehenden Stunden und den vorhandenen Ressourcen ab. Aber das Interesse für das Erlebnis Streuobst weckt schon eine Stunde in einem Obstgarten. Hier gibt es verschiedene Angebote schon für Volksschulen. Für größere Projekte oder eben landwirtschaftliche Fachschulen bietet sich ein Austausch mit den Fachzentren, wie beispielsweise der Landwirtschaftskammer, dem Bayrischen Obstzentrum, einem Obst- und Gartenbauverein in der Nähe oder ähnlichen Betreibern an. Besonders wichtig sind aktuelles Fachwissen und eine gute Planung. Generell empfehlen wir eine starke Zusammenarbeit von Verantwortlichen aus dem agrarischen Streuobstbereich aus Praktikern und Forscherinnen sehr. In Kleßheim pflegen wir sehr starken Kontakt mit den regionalen Baumwärtern und Ausbildnern in der Erwachsenenbildung.
SN: Und was gilt es zu vermeiden?
FK: Es muss klar sein, dass so ein Streuobst-Projekt langfristig zu betreuen ist. Zu beachten sind auch immer die Ferienzeiten. Wir haben z.B. an unserer Schule fast nur Bäume, die einen späteren Erntetermin haben. Die Äpfel sind reif, wenn Schülerinnen und Schüler an der Schule sind. Auch die Pflege der Wiese gehört geregelt. Eine Streuobstwiese braucht beständige Pflege und soll nicht einfach sich selbst überlassen werden. Wir kommunizieren klar, dass die gewissenhafte Arbeit an der Entwicklung und Pflege eines Streuobstbestandes, immer auch “Arbeit für die Zukunft“ und „generationsübergreifend” bedeutet, wo möglicherweise erst nach einigen Jahren der Erfolg sichtbar ist.
SN: Was ist Ihr Fazit nach mehreren Jahren der Streuobstaktionen? Würden Sie anderen Fachschulen raten, ebenfalls zu starten?
FK: Unbedingt, jede Schülerin und jeder Schüler soll lernen, wie man einen Baum pflanzt, ihn pflegt und wie Produkte daraus entstehen. Es ist ganz wichtig für uns als Gesellschaft, dass unsere Jugend nicht nur über die Natur lernt, sondern vor allem MIT ihr! Und das funktioniert am besten, wenn wir es selbst tun und vor allem schmecken!
SN: Wir sagen herzlichen Dank für das Interview!
Und weil eines ganz wichtig ist, um Streuobst an den Schulen zu etablieren, zeigen wir im Nachgang, wer hinter dem Projekt steht. Engagierte Lehrpersonen sind eine der wichtigsten Erfolgsfaktoren für den Erfolg. Wenn sie auch noch gut ausgebildet sind im Streuobstbereich und leidenschaftlich Streuobst pflegen – umso besser.
Walburga Kaiser, Direktorin und Schulleiterin
Was ist Ihr beruflicher Hintergrund?
Bevor ich in der LFS Kleßheim Schulleiterin wurde, war ich 15 Jahre Lehrerin in der LFS Tamsweg. Dort unterrichtete ich vor allem Pflanzenbau, Obstbau und Bienenkunde. Ich bin Baumwärterin und habe auch den Facharbeiter für Bienen.
Was begeistert Sie an Streuobst?
Ich bin auf einem Bauernhof in der Weststeiermark aufgewachsen, zu welchem mehrere Hektar Streuobstwiesen gehören. Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschken und verschiedenste Produkte daraus gehörten zu unserem Speiseplan. Vor allem die wunderbaren “Mostbirnbäume” eigneten sich besonders gut fürs Baumhaus, die Schaukel fand an den Apfelbäumen besseren Halt. Die Blütezeit im Frühjahr gab der Gegend eine besondere Schönheit, an welche ich mich noch heute erinnere.
In der LFS Tamsweg setzte ich schließlich auf 2.000 m2 das LEADER-Projekt “Historischer Lungauer Schau-Streuobstgarten – Obst als ein Stück Kulturgut” um (Anmerkung der Redaktion: LEADER = Programm der Europäischen Union, das modellhaft innovative Aktionen im ländlichen Raum fördert). Dafür schnitten wir Edelreiser von alten Lungauer Apfelsorten, vermehrten und pflanzten sie teilweise mit den Schülerinnen und Schülern. 2018 gewannen wir mit diesem Projekt “Die Brennnessel” - Österreichs größter Naturschutzpreis.
Marianna Nöbauer, Fachlehrerin
Was ist Ihr beruflicher Hintergrund?
Aufgewachsen bin ich auf einem Bergbauernhof in Kitzbühel. Es folgte eine höhere landwirtschaftliche Ausbildung, mit einigen Auslandsaufenthalten. Ich unterrichte seit mehr als zehn Jahren hauptsächlich Englisch und Praktischer Unterricht Obstbau, derzeit mache ich gerade den Obstbaumwart in Salzburg.
Was begeistert Sie an Streuobst?
Ich kann mir ein Leben ohne Baum nicht vorstellen. Ein Obstbaum bietet so viel – Früchte, Schatten, Lebensraum für Tiere und ist Klettergerüst und Spielplatz für unsere Kinder! Gemeinsam mit meinem Mann betreue ich eine neuangelegte Streuobstwiese mit ca. 50 Bäumen. Bei einer reinen Neuanlage erkennen wir deutlich, welch großer Schatz eine bereits bestehende Anlage ist. Es dauert, bis sich ein junges Bäumchen etabliert hat. Deshalb soll ein Obstbaum nie leichtfertig gefällt werden!
Victoria Hauer, Fachlehrerin
Was ist Ihr beruflicher Hintergrund?
Ich bin auf einem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen, nach meiner Schulzeit habe ich auf der Universität für Bodenkultur in Wien Agrar- und Ernährungswirtschaft studiert. Ich interessierte mich schon immer für die Natur, die Produkte und die Verarbeitung, die sich aus der gesamten Landwirtschaft ergeben. Mir war es schon immer wichtig diese Faszination an andere Personen weiterzugeben und freue ich mich, seit 2019 an der Landwirtschaftlichen Fachschule in Kleßheim mein umfangreiches Wissen an die zukünftige Genration von Personen in der Landwirtschaft weiterzugeben. Dort unterrichte ich unter anderem das Fach Produktveredelung und Vermarktung, wo der theoretische und praktische Teil des Obstbaues und der Obstverarbeitung zu meinen Unterrichtsgegenständen gehört. Wir pflegen nicht nur die Streuobstbäume, sondern verarbeiten die Ernte auch zu köstlichen Produkten, wie Säften und Bränden.
Was begeistert Sie an Streuobst?
Bereits in meiner Kindheit begleiteten mein Bruder und ich meine Großeltern und Eltern bei der Obsternte, bewaffnet mit Kübeln und Säcken, um das Streuobst nach Hause in die “Presskammer” zu bringen. Damals war uns noch nicht bewusst, wie bedeutend Streuobst für die Umwelt und Gesellschaft ist. Wir warteten nur aufgeregt mit unseren leeren Gläsern, wenn es dann so weit war und der erste Saft aus der Presse floss. Voller Genuss schlürften wir den süßen, frischen und unbehandelten Saft. Heute finde ich es wichtig, dass wir dieses Stück “Kulturgut” weitergeben. Immerhin ist es nicht nur ein gesellschaftlicher, touristischer Mehrwert, sondern auch ein umwelttechnischer. Gerade in Zeiten der Mechanisierung und Digitalisierung, wo einzelne Bäume oft die Bewirtschaftung erschweren und “im Weg” stehen, legen wir den Fokus bewusst auf die Aufgaben der Streuobstbestände: Schatten spenden, CO2 speichern, Lebensraum für Insekten bieten, Platz für ein Picknick bieten und leckere und gesunde Früchte liefern.
Zur Einrichtung
Die Landwirtschaftliche Fachschule Kleßheim ist eine dreijährige Landwirtschaftliche Fachschule, die sich zum Ziel setzt, 14- bis 17-jährige Mädchen und Burschen auszubilden. Die Lehrlinge kommen größtenteils aus Landgemeinden rund um Salzburg, teilweise auch aus Bayern. Die Schülerinnen und Schüler erhalten nicht nur eine fundierte landwirtschaftliche Ausbildung (Pflanzenbau, Tierhaltung, Landtechnik, etc.), sondern auch viel praktischen Unterricht in den Bereichen Holz- und Metallverarbeitung, Forst oder Direktvermarktung – hier miteingeschlossen die Pflege und Nutzung der Obstbäume. An der Schule gibt es ca. 140 Obstbäume, an denen die Schüler und Schülerinnen lernen. Das Obst verarbeitet die Schule zu Saft und Schnaps weiter.
Kontakt
Marianna Nöbauer
Kleßheim 16, 5071 Wals – Siezenheim
post@lfs-klessheim.de
https://www.lfs-klessheim.at/