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Perspektivwechsel auf der Streuobstwiese: "Wer Kunst kauft, kommt ins Paradies"
Streuobst ist eine Kunst, Kulturerbe und Kulturlandschaft in einem. Das Obst, die hohe Artenvielfalt aber auch die Streuobstkultur begeistern viele. Wir stellen in unserer Reihe Kunstschaffende vor, die einen neuen Zugang zu Streuobst bieten. Diesmal: Die Installationskünstler Sabine Reibeholz und Marc von Reth sind Profis für Inszenierung. So setzen sie auch die Streuobstwiese in Szene.
Die Inszenierungskünstler Sabine Reibeholz und Marc von Reth bieten mit zwei begehbaren Landart Installationen eine neue Sichtweise auf das Wechselspiel von Kultur und Natur. So kommen Apfel und Paradies endlich wieder zusammen.
- Die Kunstschaffenden: Sabine Reibeholz & Marc von Reth, Institut für Inszenierung (INS)
- Die Kunst: Inszenierung und Installation
- Die Arbeit: In Szene setzen
Streuobst-News (SN): Frau Reibeholz, Herr von Reth, Sie haben 2024 eine Aktion auf einer Streuobstwiese am Tag der Streuobstwiese angeboten. Erzählen Sie uns davon? Was haben Sie gemacht? Wer war dabei?
INS Viele betrachten eine Streuobstwiese immer als ein romantisiertes Stück wilde Natur. Dass es sich dabei um ein Stück Kulturlandschaft handelt, das Menschen formen, übersehen viele. Wir wollten am Tag der Streuobstwiese das Zusammenspiel von Natur und Kultur, von Natürlichkeit und Künstlichkeit ein wenig sichtbarer machen. Und so eine Installation auf der grünen Wiese irritiert halt doch mehr als der Apfelbaum.
SN: Klären Sie uns und allen anderen Unbedarften in der Kunstwelt auf: Was ist Installationskunst?
INS: Installationen sind orts- und situationsgebundene dreidimensionale Kunstwerke. Wir sind da also ganz dicht an der Bildhauerei und an Skulpturen. Unsere Kunst ist immer auch ein Abenteuerspielplatz und lädt Menschen zum Entdecken ein. Sie darf und soll angefasst werden. Besonders bei Landart sind die Betrachterinnen und Betrachter eingeladen, Kunst auch zu betreten und in das Kunstwerk einzutauchen.
SN: Wie üben Sie Ihre Kunst aus? Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag bei Ihnen aus?
INS: Es beginnt meist mit einer verrückten Idee. Die klopfen wir dann gemeinsam von allen Seiten auf ihre Umsetzungsmöglichkeiten ab. Das Spannende ist der Prozess, in dem zwei Köpfe und vier Hände zusammenarbeiten. Den typischen Arbeitsalltag gibt es nicht, das ist ja das Wunderbare als Künstler: Jeden Tag warten neue Entdeckungen, Erkenntnisse und Erlebnisse. Oder auch einfach Menschen mit einem Auftrag. Auch davon lebt Kunst. Wir sind ja Wunscherfüller.
SN: Was hat Sie mit Streuobst in Verbindung gebracht? Was „sehen“ Sie in Streuobst?
INS: Der Bauernhof, auf dem wir leben, setzt sich in einer drei Hektar großen alten Streuobstwiese in Hanglage fort. Deren Bewirtschaftung und der Erhalt des wertvollen Lebensraums ist dem Besitzer ein großes Anliegen. Dabei entstehen neue Anpflanzungen von seltenen, regionalen Sorten neben den wohl über 100jährigen Bäumen im Bestand. Bäume und insbesondere Obstbäume sind ein wunderbares Thema, um mit der Nachbarschaft ins Gespräch zu kommen. Viele verbinden sehr emotionale Erinnerungen mit der Wiese. Wir sehen also bewegte und erlebte Zeit, wenn wir auf die Streuobstwiese blicken. Und auch den Wechsel der Jahreszeiten kann man auf wunderbare Weise an den Bäumen "sehen" und ablesen. Unsere eigene Verbindung zur Wiese ist sicher auch durch die erste Ernte direkt während des Umzugs auf den Hof entstanden. Das Ergebnis der eigenen Handarbeit - gehäuft im Anhänger des Traktors - zu sehen, ist ein schönes Gefühl.
SN: Wer ist Ihr Zielpublikum? Wen erreichen Sie mit Ihrer (Streuobst)Kunst?
INS: Diese Aktion richtete sich an die Besucherinnen und Besucher zum Tag der Streuobstwiese. Über den Hof führen aber auch Pilgerwege, Wanderpfade und Mountainbike-Strecken, sowie lokale Hunderunden. So hoffen wir, ein breites und zufällig gestreutes Publikum in unterschiedlicher Stimmung mit unseren Installationen zu erreichen. Es ist ja eine temporäre Kunst.
SN: Wir waren 2024 auch mit dem Auftakt zum Tag der Streuobstwiese auf der Biennale in Venedig (zum Artikel). Was meinen Sie als Kunstschaffende – was bietet die Verbindung von einem Thema wie Streuobst mit Kunst für die Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter?
INS: Wenn es eine Aufgabe von Kunst ist, neue Sichtweisen anzuregen, liegt die Chance eben genau in diesem Perspektivwechsel. Die eigene „Wirtschaft“ einmal mit fremden Augen vorgeführt zu bekommen, bringt vielleicht spannende Ideen hervor. Hier schlägt unsere Installation „Wer Kunst kauft, kommt ins Paradies“ ja augenzwinkernd den Bogen vom Apfelbaum der Streuobstwiese zur alten biblischen Geschichte von Adam und Eva. Der Apfel und die Rückkehr ins Paradies (vor der eigenen Haustür) liegen auch heute noch ganz dicht beieinander.
SN: Was raten Sie anderen Künstlerinnen und Künstlern, die Kunst rund um Streuobst im Kleinen machen?
INS: Einfach machen.
SN: Und zum Schluss eine Schnell-Fragerunde.
- Kunst oder Handwerk?
INS: Kunst funktioniert nicht ohne Handwerk.
- Geschichten erzählen oder inszenieren?
INS: Jede Erzählung ist immer auch Inszenierung.
- Große Installation oder kleines Kunstwerk?
INS: Auch kleine Kunst kann große Gefühle.
- Arbeit oder Leidenschaft?
INS: Arbeit und Leidenschaft.
- Streuobst oder naturfernes Thema?
INS: Die nächste Ernte ist immer die schwerste.
SN: Vielen Dank, dass Sie Ihre Kunstleidenschaft mit uns teilen!
Über die Künstlerinnen und Künstler
Sabine Reibeholz und Marc von Reth sind zwei Künstler, die seit 2019 immer im Team als Institut für Inszenierung (INS) zusammenarbeiten. In ihren gemeinsamen Arbeiten prallen stets zwei Sichtweisen aufeinander, die geschlechtlichen Identitäten als Frau und Mann und die beiden unterschiedlichen Annäherungen vom Design und der Wortkunst. Dadurch bündeln sie in dieser Symbiose Kompetenzen als Gestalter, Storyteller, Regisseure und werden zu Szenografen.
Viele der Arbeiten sollen und dürfen betreten und berührt werden und sind dabei interaktiv, reagieren also auf das Publikum. Dabei ist INS einer modernen, einfachen Formensprache verpflichtet. INS definiert sich als Katalysator für Kommunikation im Raum, als Raum für immersive Experimente und als Experimentierfeld für mediales Crossover. Die Installationen entziehen sich der klassischen Ordnung von Malerei und Skulptur und verwenden häufig Fundstücke des Alltags als Ausgangsmaterial. Die Kunstwerke sind - verbunden mit der konzeptionellen Idee zu einem Abenteuerspielplatz der Kunst. Beide Teile von INS eint der feste Glaube, dass Kunst uns allen ein besseres Verständnis für unsere Welt bietet. Sabine bevorzugt Apfelsaft, Marc mag Birne. Zur Zeit wohnen sie in Overath (Rheinisch-Bergischer-Kreis, Nordrhein-Westfalen), folgen aber demnächst dem Ruf eines besonderen Birnbaums an den Zusammenfluss von Havel und Elbe in die Altmark nach Werben.
https://institut-fuer-inszenierung.de/about/