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Neue Sorten gegen Spätfrostschäden
Die Klimaerwärmung führt zu einer früheren Blütezeit bei Apfel und Birne. Phänologische Untersuchungen der Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg (LVWO) belegen, dass die Obstbäume heute etwa drei Wochen eher blühen als vor 60 Jahren. Dadurch steigt das Spätfrostrisiko. Mittlerweile ist statistisch in jedem zweiten Jahr mit erheblichen Spätfrostschäden zu rechnen.
Um diesem Problem zu begegnen, wurden im Rahmen des EIP-Projekts „Auslese und Entwicklung frosttoleranter Apfel- und Birnensorten zur Vermeidung von Spätfrostschäden im ökologischen Obstbau“ neue Sorten gesucht und gezüchtet. Neue Sorten mit später Blüte stellen eine kostengünstige und nachhaltige Lösung für die Spätfrostproblematik dar. Das ist vor allem für Streuobstwiesen ein wichtiger Ansatz, da dort in der Regel keine Möglichkeiten bestehen Spätfrostschäden durch technische Maßnahmen wie Frostschutzberegnung zu vermeiden. Der Abschlussbericht des Projekts nennt spätblühende Sorten, Züchtungsziele und Mechanismen, die einen Ertrag trotz Spätfrostereignissen ermöglicht.
Das Projektteam
Die LVWO, die Universität Hohenheim (UHH), das Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee (KOB) und die Fördergemeinschaft Ökologischer Obstbau e.V. (FÖKO) führten das Projekt gemeinsam durch. Es baut auf die vorangegangenen Projekte „Robuste Apfelsorten für den ökologischen Obstbau und den Streuobstbau“ sowie „Obstsortenzüchtung und Nutzung genetischer Ressourcen aus dem Streuobst“ auf.
Warum tragen manche Obstbäume trotz Spätfrostereignissen?
In dem Abschlussbericht nennt das Projektteam Mechanismen, die dazu führen, dass ein Obstbaum trotz Spätfrostereignis Früchte trägt. Dies sind:
- Späte Blüte: Der Baum blüht nach den Spätfrösten. Die Knospe ist nicht so empfindlich gegenüber Abfrieren. Tendenziell entwickelten sich die Blüten auf Hochstamm langsamer als auf den schwächer wachsenden Unterlagen.
- Frostrobuste Blüten: Die Blüten einiger Sorten sind weniger anfällig gegenüber Frost als die Blüten anderer Sorten.
- Lange Blühdauer: Sie verringert die Gefahr von Ernteausfall durch Spätfrostschäden.
- Selbstfruchtbarkeit: Vor allem bei Birnen ist die Möglichkeit der Fruchtbildung ohne Bestäubung (Parthenokarpie) bekannt. In einem Experiment zeigte das Projektteam, dass die Apfelsorte James Grieve ebenfalls unbefruchtet Früchte ausbildet. Vermutlich besitzen auch andere Apfelsorten diese Fähigkeit.
Spätblühende Sorten finden
An der LVWO und dem KOB wurden die Blühzeitpunkte von Bäumen in Streuobstbeständen erfasst. Gar nicht so einfach, denn der Zeitpunkt der Blüte weicht über verschiedene Standorte und Jahre stark ab. Erschwert wird die Einteilung auch durch unterschiedlich weit entwickelte Blüten an einem Baum. Trotzdem konnte das Projektteam die Sorten anhand der Blühzeit in Kategorien einteilen. Neben den Blühzeitbonituren im Sortenkontrollgarten und einem Screening des Pomoretums der Landwirtschaftlichen Lehranstalt Triesdorf führte das Team eine Recherche in der sortenbeschreibenden Literatur und in Sortendatenbanken (DGO, FRUCTUS CH, National Fruit Collection GB, Erhalternetzwerk Obstsortenvielfalt des Pomologen-Vereins e.V.) durch, um spätblühende Sorten zu finden. Auch ein Aufruf in der Fachzeitschrift Obst und Garten lieferte Erkenntnisse.
Bei den Birnen war es etwas schwieriger. Das Team konnte keine Birnensorte identifizieren, welche so spät blüht, dass das Risiko für Blütenfröste relevant verringert ist. Dies liegt an der gegenüber der Apfelblüte grundsätzlich zwei bis drei Wochen früher im Jahr stattfindenden Birnenblüte.
Die Züchtung
Für die Züchtung kommen vor allem Sorten in Betracht, die eine gute Tafelqualität aufweisen. Das Projektteam führte eine Vielzahl an Verkostungen als Apfel, Saft oder Apfelwein durch, um die Anbauwürdigkeit der spätblühenden Sorten einzuschätzen. Als gute Apfelsorten nannten sie: ‘Königlicher Kurzstiel‘, ‘Hans-Ulrichsapfel‘, ‘Mutterapfel‘, ‘Oberrieder Glanzrenette‘, ‘Roter Bellefleur‘ und ‘Krügers Dickstiel‘. Auch der ‘Luikenapfel‘, obwohl selbst nicht besonders spät blühend und mit geringer Tafelqualität, ist für die Züchtung interessant, da er die Elternsorte zahlreicher spätblühender Sorten ist. Den ‘Königlichen Kurzstiel‘ stufte das Projektteam aufgrund der besonders späten Blüte als am vielversprechendsten ein. Daher verwendeten sie die Sorte mehrfach für Kreuzungen.
In den Sortengärten des KOB fand das Projektteam keine besonders spät blühende Sorte mit Tafelqualität. Die ‘Schwesternbirne‘ wurde bei einem Sortenaufruf genannt und in die Sammlungen am KOB und der LVWO aufgenommen. Wenn sich die sehr späte Blüte und Tafelqualität auch an diesen Standorten bestätigt, wäre sie ein guter Kandidat für Züchtungen. Die bereits häufiger verwendete ‘Vereinsdechantsbirne‘ oder deren Abkömmlinge wie ‘Jeanne d’Arc‘, ‘Dolacomi‘ oder ‘Taylors Gold‘ sind laut Projektabschlussbericht vermutlich gute Kreuzungspartner. Das Projektteam nimmt jedoch an, dass die Blütezeit der Neuzüchtungen nicht wesentlich vom allgemeinen Sortiment abweicht. Wegen der Problematik des allgemein früheren Blühzeitpunkts der Birne schlägt das Projektteam vor, bei der Züchtung blütenfrosttoleranter Birnensorten die Fähigkeit der Jungfernfrüchtigkeit zu berücksichtigen. In ihrem Projekt konnten sie dies jedoch nicht mit einbeziehen und legten ihren Fokus bei der Auswahl der Elternsorten auf die Fruchtqualität, eine leichte Verzögerung der Blüte, Feuerbrandresistenz und die rote Schalenfarbe.
Auswahl der Elternsorten
Da die als spätblühend identifizierten Apfelsorten nicht die gewünschten Eigenschaften bezüglich Fruchtqualität, Lagerfähigkeit und Anbau einer modernen Tafelapfelsorte aufweisen, wurden die Elternsorten so gewählt, dass die Eigenschaft der späten Blüte mit den Eigenschaften einer modernen Tafelapfelsorte kombiniert werden. Als wichtigste Eigenschaften sind hier Fruchtqualität, Fruchtgröße, Lagerfähigkeit, Resistenz gegen Schorf und Mehltau sowie Robustheit gegen Feuerbrand zu nennen. So kamen folgenden Elternsorten zum Einsatz:
Spätblühende Sorten:
- `Christiansapfel´: Extrem späte Blüte, gute Fruchtqualität
- `Heslacher Gereutapfel´: Sehr späte Blüte, Lokalsorte, Luiken Typ
- `Spätblühender Taffetapfel´: Späteste Blüte
- `Königlicher Kurzstiel´: Sehr alte Sorte, extrem späte Blüte, sehr gute Fruchtqualität, lange
- lagerbar
- `Spätblüher aus Schwabbach´: Pomologisch nicht bestimmte Sorte, sehr späte Blüte, gute Blattgesundheit, Mostobstsorte
- `Belle Fille des Salins´: Alte französische Sorte, Tafelobstqualität, lange lagerbar, kleinfruchtig
- `Belle Fille de l´Indre´: Alte französische Sorte, Tafelobstqualität, kleinfruchtig
- `Grauer Kurzstiel´: Sehr späte Blüte, starke Berostung, fein aromatischer Geschmack
Qualitäts- und Resistenzgebende Sorten mit sehr guter Fruchtqualität:
- `Flavia´: Großfruchtig, Rvi6 Schorfresistenz
- `Enterprise´: Rvi6 Schorf-Resistenz, Feuerbrandtoleranz,
- `Mammut´: Frosttoleranz, Rvi6 Schorfresistenz
- Zuchtklon Y6: Rvi6, -10 Schorf- und Pl2 Mehltauresistenz
- `Wellant´: Großfruchtig, Delikatess-Apfel
Empfehlungen für den Streuobstanbau
Die Projektpartner empfehlen nun fünfzehn Apfelsorten und sieben Birnensorten für den Streuobstbau und Hausgarten, die entweder spät blühen oder frostrobuste Blüten aufweisen. Zudem wurde der Grundstein für die Züchtung neuer, spätblühender Sorten gelegt: Im Zuchtgarten der LVWO stehen bereits dreiundzwanzig Nachkommenschaften von Apfel (ca. 1.400 Genotypen) und zwölf von Birnenkreuzungen (ca. 340 Genotypen) zur Selektion bereit. Aber Achtung! Der Anbau ausschließlich spätblühender Sorten im Streuobstbau ist nicht empfehlenswert, da eine späte Blüte auch eine erhöhte Gefahr von Feuerbrandinfektionen mit sich bringt. Außerdem ist es von Vorteil, wen mehrere gleichzeitig blühende Bäume auf der Wiese bzw. in der Umgebung stehen, damit eine Befruchtung gewährleistet ist.
Der Abschlussbericht ist unter https://www.kob-bavendorf.de/projekt-archiv/vermeidung-von-spaetfrostschaeden-im-obstbau.html zu finden