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Hochstamm Deutschland unterwegs: Was wir von irischen Agroforstsystemen lernen
Hochstamm Deutschland e.V. ist zu Besuch bei Streuobstakteuren im In- und Ausland. Diesmal besuchen wir mit unserem Projekt Streuobst 2030 die International Agroforestry Conference des Irish Agroforestry Forum im Südwesten Irlands. Was nehmen wir mit? Humorvolle Begegnungen und die Erkenntnis, dass Streuobst in Irland ganz anders geht – und trotzdem auch dort ein Kulturgut ist.
Agroforst? Streuobst geht auch anders
Die Kombination von Bäumen und Landwirtschaft – das ist Agroforst und damit auch Streuobst. In Irland sehen solche Systeme unter Förderbedingungen typischerweise so aus: Mindestens 400 Bäume verschiedener Arten auf einem Hektar. Streuobst als silvopastorales Agroforstsystem (=Bäume auf Grünland) wie wir es in Deutschland kennen, gibt es in Irland nur in sehr geringem Umfang. Aber auch dort ringen landwirtschaftliche Betriebe, die nachhaltige Agroforstsysteme mit verschiedensten Baumarten etablieren, mit der gesellschaftlichen und finanziellen Anerkennung und teilweise fehlendem Praxiswissen. Und sie bemühen sich ebenfalls, die Ökosystemleistungen ihrer Anbausysteme zu erhalten und zu monetarisieren. Die bisherige Förderung ist zu gering. Grund genug für Hochstamm Deutschland e.V. uns mit anderen Pionieren und Pionierinnen der Szene im grünlanddominierten Irland auszutauschen. Mit im Gepäck: Unser Projekt Streuobst 2030, das wir mit den irischen Agroforstexperten diskutierten und großen Zuspruch erfuhren. Irland ist einer der Vorreiter in Europa bei der Anerkennung von Ökosystemleistungen als Fördergrundlage und bei der Integration in Wertschöpfungsketten.
Was wir von irischen Agroforstsystemen lernen
Das Ziel von Hochstamm Deutschland e.V.: Erhalt durch Nutzung beim Streuobst. So weit, so klar. Doch durch die Vorträge begeisterter Landwirte und Wissenschaftlerinnen aus Irland wurde uns eine – eigentlich bekannte - Sichtweise neu bewusst: Agroforstsysteme leben nicht allein von verkauften Produkten, es gibt viele gute Gründe, diese nachhaltige Art der Landwirtschaft auf dem eigenen Betrieb umzusetzen, nicht nur mit Blick auf höhere, direkt sichtbare finanzielle Einnahmen.
- Biodiversität profitiert: Es ist schon lange bekannt, dass die Kombination aus Bäumen und Dauergrünland neue Lebensräume schafft und dadurch die Biodiversität steigt. Jim McAdam zeigte: Das gilt auch für moderne Agroforstsysteme mit engeren Baumabständen, erreicht aber bei weitem nicht das Niveau von klassischen Streuobstflächen. Die hohe Biodiversität hat aber auch positive Auswirkungen auf den restlichen Betrieb.
- Weidetiere profitieren: Die Vorträge des Mutterkuhhalters Clive Bright, der Tierwissenschaftlerinnen Lindsay Whistance und Dr. Kathy Soder zeigten es deutlich: Weidetiere profitieren enorm von Bäumen auf der Fläche. So verringert sich beispielsweise die Fluchtdistanz der Tiere und sie sind ruhiger. Bäume reduzieren Hitze- ebenso wie Kältestress, die Tiere fressen länger, mehr und abwechslungsreicher, wodurch beispielsweise bei Milchkühen die Milchproduktion um bis zu 40 % steigt. Das Grünfutter wächst außerdem im Frühjahr früher und länger in den Herbst hinein. Die Weidezeit steigt um bis zu 17 Wochen in Irland.
- Boden profitiert: Clive Bright zeigte darüber hinaus eindrucksvoll, wie stark die Bäume zur Verbesserung des Bodens beitragen. Indem sie z.B. undurchlässige Horizonte mit ihren Wurzeln durchbrechen, Nährstoffe mobilisieren, zur stärkeren Wasserspeicherung beitragen und dadurch „nebenbei“ auch die Qualität des Grünlands verbessern.
- Klima profitiert: Streuobst- und moderne Agroforstsysteme speichern CO2, sogar über die Holz- und Wurzelmasse hinaus im umgebenden Boden. Sie tragen aber auch positiv zum Mikroklima bei – als „Kaltluftproduzenten“ im Sommer und „Wärmespender“ im Winter.
Unser Fazit: Bäume auf der Fläche – ganz nach dem Motto: The right tree for the right place – lohnen sich. Die Vorträge der Konferenz zeigten deutlich: Moderne und traditionelle Agroforstsysteme wie Streuobst bieten Ökosystemleistungen im Übermaß. Diesen positiven Nutzen für den Menschen gilt es nun in Politik, Landwirtschaft, Praxis und Wissenschaft weiter zu integrieren, sowohl auf ideeller Ebene als auch ganz praktisch durch Möglichkeiten zur Monetarisierung.
So bringen wir Agroforstsysteme in die Fläche
Agroforstwissenschaftler Tim Pagella fasste den Weg zu mehr Agroforst so zusammen:
- Paradigmenwechsel: Ermögliche einen Paradigmenwechsel
- Brücken bilden: Bringe Bäume mit einer erfolgreichen landwirtschaftlichen Praxis in Verbindung
- Pioniere: Arbeite zunächst mit Menschen, die sich ändern wollen
- Zeit: Lasse den Anwendern und Betrieben Zeit zum Wandel und ermutige
- Innovation: Suche nach innovativen Ansätzen in der Praxis und mache sie bekannt, unterstütze Experimente und Ausprobieren
- Soziales Kapital: Begeistere Menschen für Agroforstsysteme
- Feiere den Erfolg.
Dem stimmen wir absolut zu.
Hintergrund der Konferenz
Die International Irish Agroforestry Conference fand Mitte November in Bantry (County Cork) statt. Organisator war das Irish Agroforestry Forum unter Federführung von Maureen Kilgore. Wir sagen ein herzliches Danke für die Einladung, die offenen Begegnungen und gute Organisation! Neben Vorträgen am ersten Tag, boten Besuche bei landwirtschaftlichen Betrieben an Tag zwei Einblicke in die praktische Arbeit.
Links
- Zu den Rednern: https://www.irishagroforestry.ie/conferencespeakers
- Zu den Präsentationen und Bildern: https://www.irishagroforestry.ie/conferenceproceedings
- Zu den Praxisbetrieben: