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Hessen: 77 Prozent weniger Streuobst seit 1952
Im hessischen Projekt MOST 3D untersuchten Forscherinnen und Forscher der Universität Gießen mittels Fernerkundung die quantitativen und qualitativen Veränderungen von hessischen Streuobstwiesen. Die Ergebnisse zeigen einen starken Rückgang der Bestände.
Projekt MOST 3D: Ein neues Auge auf alte Bäume
Streuobstwiesen prägen die hessische Kulturlandschaft. Obwohl gesetzlich geschützt, sind ihre Bestände stark zurückgegangen: Ihre verstreute Lage erfordert ein effizientes Monitoring von Veränderungen und des Pflegezustandes.
Genau hier setzte das vom Hessischen Biodiversitätsforschungsfonds geförderte Projekt „Monitoringsystem zur Bewertung der quantitativen und qualitativen Veränderungen von Streuobstwiesen in Hessen mit Fokus auf 3D-Laserscanningdaten“ an. Es lief von 2020 bis 2023. Das Hauptziel war es, zu untersuchen, wie hessenweit verfügbare 3D-Laserscanningdaten zu einem landesweiten Monitoring beitragen. Forscherinnen und Forscher der Universität Gießen führten das Projekt durch. Hauptverantwortliche für das Projekt waren André Große-Stoltenberg und Prof. Dr. Till Kleinebecker vom Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement (ILR) sowie vom Zentrum für internationale Entwicklung und Umweltforschung (ZEU).
Das Projekt nutzte die "Luftbildinterpretation Streuobst und Gehölze" des Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG), die auf Orthofotos aus den Jahren 2008 bis 2010 basiert. Zusätzlich interpretierten die Projektpartner historische Luftbilder aus den Jahren 1952 bis 1967 manuell. Diese Daten aus zwei Zeitpunkten flossen in die Analysen ein, um die Langzeitentwicklungen aufzuzeigen.
Alarmierender Rückgang in der Historie
Im Zeitraum von 1952 bis 1967 gab es in Hessen 66.602 Streuobstwiesen, die sich über eine Fläche von 504 Quadratkilometern erstreckten. Bis 2010 sank die Anzahl auf 21.544, und die Fläche verringerte sich drastisch auf 117 Quadratkilometer (-77 Prozent). Die Gründe für diesen dramatischen Schwund sind vielfältig und regional unterschiedlich. Die durchschnittliche jährliche Verlustrate in Hessen betrug 3,37 Prozent auf Kreisebene. Im europäischen Vergleich sind die hessischen Verlustraten sehr hoch. Die durchschnittliche Rate von 3,37 Prozent übersteigt sogar die maximalen Raten, die in Fallstudien in Österreich (3,47 Prozent) und Frankreich (2,80 Prozent) festgestellt wurden. Selbst in hessischen Distrikten mit den geringsten Verlustraten, wie dem Wetteraukreis mit 1,83 Prozent, waren die Verluste mehr als doppelt so hoch wie in ähnlichen Studien in Südwestdeutschland.
Verursacher des Verlusts
In den historischen Streuobst-Hotspots in den Ballungsräumen um Frankfurt und Offenbach verdrängte vorrangig der Siedlungsbau. Im Süden des Bundeslandes, insbesondere in den Distrikten Bergstraße und Odenwald ist die Umwandlung in andere landwirtschaftliche Nutzungen die Hauptursache. In einigen ländlichen Gebieten im Zentrum Hessens gaben viele Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter ihre Flächen auf, wodurch die Bestände verwilderten, und teilweise Wald entstand.
Streuobstwiesen sahen früher anders aus
Historische Streuobstwiesen in Hessen zeichneten sich durch eine größere Fläche und eine höhere Formkomplexität aus und lagen näher an Siedlungen und Straßen. Im Gegensatz dazu fand man neu angelegte Wiesen häufig in höheren Lagen und an steileren Hängen. Auch regional unterschieden sich die Obstgärten in den verschiedenen Regionen Hessens, also im Norden, in der Mitte und im Süden, deutlich in ihren Eigenschaften. Im Süden hatten die Bestände eine höhere Dichte und waren stärker zersiedelt, was auf eine intensive Nutzung hindeutet. In Zentral- und Nordhessen waren die Streuobstwiesen oft größer und hatten komplexere Formen. Sie lagen auch näher an Siedlungen und Straßen.
Ein Datenschatz für den Streuobstschutz
Die Forschungsergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit von dringenden Schutzmaßnahmen für Streuobstwiesen. Der alarmierende Rückgang von 77 Prozent der Fläche seit 1952 zeigt, dass die aktuellen Schutzmechanismen unzureichend sind. Die Methoden aus MOST 3D sind potenziell auf andere Bundesländer übertragbar, da vergleichbare Daten bundesweit vorliegen.
Quellen
Justus-Liebig-Universität Gießen (2023): Entwicklung eines fernerkundungsbasierten MOnitoringsystems zur Bewertung der quantitativen und qualitativen Veränderung von STreuobstwiesen in Hessen mit Fokus auf 3D-Laserscanningdaten (MOST3D). Abschlussbericht zum 15.10.2023. Justus-Liebig-Universität Gießen, Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement.
Große-Stoltenberg A, Hanzl A, Safaei M, Kleinebecker T (2024) Once Common, Long in Decline: Dynamics of Traditional Orchards in a Central European Landscape. Land 13:1639. doi.org/10.3390/land13101639
Große-Stoltenberg, A.; Hanzl, A.; Schnepel, N.; Kleinebecker, T. (2023): Entwicklung eines fernerkundungsbasierten Monitoringsystems für Streuobstwiesen in Hessen mit Fokus auf 3D-Laserscanningdaten (Projekt MOST3D). Jahrb. Natursch. Hessen 22: 55-60.