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Eine Baumschule im Streuobstverein?
Streuobstwiesen sind traditionelle Kulturlandschaften – ökologisch wertvoll, kulturell geprägt und landschaftlich einzigartig. Der Tauberländer Bio-Streuobstinitiative e.V. engagiert sich für ihren Erhalt und ihre Weiterentwicklung. Die Streuobst-News werfen einen Blick auf die Vision des Vereins und seine Arbeit für eine zukunftsfähige Streuobstlandschaft im Tauberland (Baden-Württemberg). Mit dabei: der Aufbau einer eigenen Bio-Baumschule.
- Der Verein: Tauberländer Bio-Streuobstwiesen e.V., Königheim (Main-Tauber-Kreis, Baden-Württemberg)
- Vorstandsvorsitzende: Henry Mühlbauer & Tobias Hornung
- Das Interview führte: Mira Mosbacher von Hochstamm Deutschland e.V.
Streuobst-News (SN): Herr Mühlbauer, Sie sind Vorsitzender des 2018 gegründeten Vereins Tauberländer Bio-Streuobstwiesen. Welche zentrale Vision treibt Ihre Initiative an und was möchten Sie langfristig in der Region bewirken?
Henry Mühlbauer (HM): Im Kern sind wir ein Naturschutzverein, der sich um den Erhalt von Arten, um Klimaschutz, gesunde Böden und um die Erzeugung gesunder, biologisch erzeugter Lebensmittel kümmert. Wir sehen Streuobst als den gemeinsamen Nenner, um diese Ziele zu erreichen. Mit all den positiven Leistungen fürs Gemeinwohl. Wichtige Ansatzpunkte sind für uns zudem noch die „Gemeinschaft“ und die monetäre Inwertsetzung des Obstes bzw. der Streuobstwiesenpflege. Unser großes Ziel ist es, im Taubertal eine vielfältige Streuobstkultur zu erhalten. Wie immer die sich in zehn oder zwanzig Jahren auch zusammensetzen mag.
SN: Sie stammen ursprünglich aus der Weinwirtschaft. Welche persönlichen Erfahrungen oder Beobachtungen haben dazu geführt, dass Sie sich heute so intensiv für Streuobstwiesen engagieren?
HM: Im Grunde habe ich schon seit Kindheitstagen eine Begeisterung für gesunde Produkte aus unserer Kulturlandschaft. Und eine große Neugierde. Mit der Idee zur Vereinsgründung haben wir einen tollen Mix an Menschen und Kompetenzen gebündelt. Da lernen wir jeden Tag Neues. Dazu hat es mir von Beginn an sehr viel Freude bereitet, meine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse und die Erfahrung aus der Vermarktung von Wein aus biologischem Anbau einzubringen. Dieses Know-how hat es uns wohl auch etwas erleichtert, eine tragfähige Organisations- und Vermarktungsstruktur hinzubekommen.
SN: Der Begriff Tauberland prägt Ihren Vereinsnamen. Was macht diese Region, besonders mit Blick auf ihre Streuobstwiesen, so einzigartig?
HM: Das Taubertal ist geprägt von vielen kleinen Seitentälern mit ihren Zuflüssen zur Tauber, dem Muschelkalk, den Magerrasen. Es ist eher klein parzelliert und somit recht vielfältig. Extensive Bewirtschaftung und vor allem der Mix aus vielen alten Sorten gibt einen charaktervollen, eher würzigen und frischen Apfelsaft. Um das herauszuarbeiten, haben wir uns auch bewusst dazu entschieden, Streuobst nur von dieser besonderen geologischen Struktur aufzunehmen.
SN: Wenn Sie auf das Jahr 2025 zurückblicken: Welches Projekt oder welche Entwicklung war für Sie besonders prägend oder einen Meilenstein für die Tauberländer Bio-Streuobstwiesen?
HM: Die Insolvenz unseres Abfüllers und Vermarktungspartners im Mai hat uns unnötig viel Energie abgefordert. Aber auch aus dieser Situation sind wir heil herausgekommen und haben in diesem Jahr mit ca. 160 Tonnen die größte Erntemenge des Vereins souverän und quasi reibungslos gemanagt. Letzte Woche haben wir den 2025er Saft vom neuen Abfüllpartner verkostet und freuen uns, sogar qualitativ einen Schritt weiter gekommen zu sein. Ganz sicher wird das Projekt „Archegarten“ ein riesiger Meilenstein für unseren Verein sein. Tobias hat in den letzten Jahren so viel Vorarbeit in das Suchen, Finden und Veredeln der alten, raren Obstsorten gesteckt. Hier schlummert für das Tauberland ein wunderbarer Schatz.
SN: Zum Abschluss: Welche Botschaft möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern mitgeben?
HM: Bäume wachsen langsam, aber immer schnellere Veränderungen bestimmen unsere Zeit. Wahrscheinlich müssen wir uns über die nächsten Jahrzehnte von Teilen der heutigen Streuobstkultur verabschieden, aber gleichzeitig entsteht immer wieder Neues. Das sind vielleicht neue Kulturen und Sorten und auch neue Vermarktungschancen. Wichtig ist, dass wir respektvoll und wertschätzend gegenüber Menschen und Natur agieren, offen für Neues sind, zusammenstehen und lauter werden. Dann ergeben sich auch Chancen und es kann sich eine persönliche Zufriedenheit einstellen.
TH: Mit dem Verkauf unserer vereinseigenen Produkte leisten der Verein und mit ihrem Einkauf leisten die Käuferinnen und Käufer aktiven Naturschutz und gewährleisten das Fortbestehen des Vereins. Aus meiner Sicht schafft das Ehrenamt hier ein sehr hohes Engagement, das allerdings nicht allein alles bewerkstelligen kann. Die Gesellschaft sowie die Politik müssen Naturschutz mehr unterstützen, sei es im Konsumverhalten, im Ehrenamt, sei es bei Fördergeldern, Gesetzen und Paragrafen.
SN: Vielen Dank, dass Sie Ihre Leidenschaft und Ihre Einblicke mit uns geteilt haben.
Henry Mühlbauer
Henry Mühlbauer (Jahrgang 1966) ist gelernter Weinhandelsküfer und Diplom-Betriebswirt der Weinwirtschaft. Ihn interessieren, privat wie beruflich, seit Jahrzehnten die ökologischen Themen, sei es biologische Landwirtschaft, Mehrweg, Energiegewinnung, Biotopvernetzungen, Erhalt und Schutz der Artenvielfalt usw. Streuobst ist für ihn der Schatz vor der Tür, den es zu bewahren gilt.
Tobias Hornung
Tobias Hornung (Jahrgang 1977), arbeitet seit 22 Jahren mit seiner Frau im selbst gegründeten Waldkindergarten. Seit 2008 ist er Fachwart für Obst- und Gartenbau, sowie FLL–zertifizierter Baumkontrolleur. Seit 2018 Gründungsmitglied und 2. Vorsitzender des Tauberländer Bio-Streuobstwiesen e. V. 2025 kartierte er mit seinem OGV und dem Pomologen Werner Nussbaum über 1.500 Obstbäume auf der Gemarkung seiner Heimatgemeinde: über 130 Apfelsorten kamen dabei zum Vorschein.