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Apfeltrester statt Mais: Wie Streuobst als Futtermittel dient
Wolfgang Behrendt, ein Milchviehhalter aus Rheinland-Pfalz, nutzt gepachtete Streuobstwiesen für den Grasschnitt. Er entwickelte außerdem eine Methode, Apfeltrester zu verwerten. Er stellt daraus Silage für seine Milchkühe her. Zudem betreut er Schüler Benjamin Hammes bei einem "Jugend forscht"-Projekt. Das Projekt befasst sich mit der ungenutzten Klimaschutzleistung brachliegender Streuobstwiesen.

Ressourcen aus Streuobst besser nutzen
Die Weltbevölkerung nimmt ständig zu und die landwirtschaftlich genutzte Fläche wird stetig weniger. Behrendt plädiert deshalb dafür, die bestehenden Flächen besonders gut zu nutzen: „In den Realteilungsgebieten Südwestdeutschlands liegen immer mehr Wiesen und auch Streuobstwiesen brach. Die noch aktiven landwirtschaftlichen Betriebe nutzen dieses Grünland, soweit es die Maschinen zulassen. Der Rest bleibt sich selbst überlassen. Auf diesen Flächen werden im Sommerhalbjahr in Hölzern, Früchten und Gräsern große Mengen an organischem Kohlenstoff eingelagert und im Winterhalbjahr beim Verrotten der Erzeugnisse wieder als schädliches Klimagas an die Atmosphäre abgegeben.“

Ein Bestreben nach nachhaltigeren Praktiken und die "Trog-Teller-Diskussion" motivierten Wolfgang Behrendt, Apfeltrester als Futtermittel zu nutzen. Landwirtschaftliche Betriebe verfüttern Getreide und Mais an ihre Nutztiere, statt dass die verfügbare Ackerfläche direkt für den Anbau von Nahrungsmitteln für Menschen genutzt wird. Behrendt verweist auch darauf, dass Mais auf eine Phosphordüngung dringend angewiesen ist. Phosphor ist allerdings ein endlicher Rohstoff, wobei die weltweiten Phosphatreserven ungleich auf der Erde verteilt sind. Apfeltrester hingegen ist eine nicht-essbare Biomasse – ein Nebenprodukt der Lebensmittelherstellung. Behrendt sieht darin eine wertvolle Ressource: "Dieses Nebenprodukt der Lebensmittelherstellung verschwenden wir nicht."
So verwertet der Betrieb den Apfeltrester
Im Herbst nimmt der Hof etwa 40 Tonnen Apfeltrester aus Streuobstwiesen von einer Kelterei entgegen und siliert ihn frisch ein. Der Apfeltrester ersetzt Silomais im Verhältnis 1:1 in der Ration der Milchkühe. Jeden Tag entnimmt er ca. 20 kg Apfeltrester pro Kuh aus dem Silo. „Das ist eine wahre Freude, den Kühen beim Fressen zuzuschauen“, erklärt Behrendt. Seine Kühe lieben das Futter. Eigene Analysen auf dem Betrieb zeigen vergleichbare Nährwerte von Apfeltrester und Silomais: Silomais hat circa 7 % Rohprotein und 6,8 MJ NEL (Netto-Energie-Laktation), Apfeltrester 6 % Rohprotein und 7,0 MJ NEL. Apfeltrester wirkt sich zudem positiv auf die Milchinhaltsstoffe aus, insbesondere den Fettgehalt. Behrendt beobachtete einen Anstieg beim Milchfett um 0,25%, beim Milcheiweiß um 0,06 %.
Schritt 1: Apfeltrester besorgen
Behrendt empfiehlt anderen landwirtschaftlichen Betrieben, die selbst nicht mosten, Kontakt zu örtlichen Keltereien frühzeitig aufzunehmen und nach Trester zu fragen. Fällt die Antwort positiv aus, ist es wichtig, nachzufragen, zu welchen Terminen Trester bereitsteht, wie die Logistik aussieht (eigene Abholung, Zulieferung) und welche Mengen verfügbar sind.
Schritt 2: Apfeltrester begutachten und vorbereiten
Nach der Pressung enthält Apfeltrester noch viel Wasser. Dieser hohe Feuchtigkeitsgehalt ist ideal für die Silierung. Deshalb gilt es, auf die Qualität des Tresters zu achten: Er sollte frei von Verunreinigungen wie Erde, Steinen oder Fremdkörpern sein. Wichtig ist auch, dass er möglichst frisch ist und am besten sofort siliert wird.
Schritt 3: Silo auswählen und vorbereiten
Behrendt nutzt für die Silierung eine Art „Behelfssilo“ (s. Foto). Für große Mengen kommen Fahrsilos infrage, für kleine Mengen sind abgetrennte Einrichtungen, die seitlich gut abschließen und sauber sind, von Vorteil. Vor dem Einfüllen sollte das Silo gereinigt werden. Eine Silage- oder Baufolie wird auf dem Boden ausgelegt. Sie umschließt am Ende den gesamten Trester und schließt in luftdicht ab.
Schritt 4: Apfeltrester einbringen und verdichten
Behrendt bekommt über die gesamte Mostsaison Trester aus der Kelterei zugeliefert. Er bingt sie schichtweise und gleichmäßig in das Silo ein. Jede Schicht muss sorgfältig und intensiv verdichtet werden. Möglich ist das je nach Menge durch das Eigengewicht (Feststampfen), die Frontladerschaufel oder landwirtschaftliche Maschinen. Das Verdichten ist der wichtigste Schritt, um Sauerstoff aus dem Apfeltrester zu verdrängen. Sauerstoff verursacht Fehlgärungen und mindert Qualität der Silage. Je besser die Verdichtung, desto höher die Silagequalität.
Schritt 5: Silo luftdicht abschließen
Nach dem Verdichten verschließt Behrendt das Silo sofort und luftdicht mit der Silofolie. Er achtet darauf, dass die Folie unbeschädigt ist und nirgendwo Luft eindringt. Bei größeren Mengen ist das Beschweren mit Sandsäcken, alten Reifen oder einer Sandschicht sinnvoll. Eine luftdichte Abdeckung ist entscheidend für den Erfolg der Silierung.
Schritt 6: Silage lagern, entnehmen und verfüttern.
Nach dem luftdichten Abschluss beginnt der Gärprozess. Milchsäurebakterien wandeln den Zucker im Apfeltrester in Milchsäure um. Dadurch sinkt der pH-Wert, und die Silage wird stabilisiert. Es ist möglich, die Silage vollständig durchsilieren zu lassen. Die fertige Apfeltrestersilage erkennen Sie an einem angenehm säuerlichen Geruch und einer festen Konsistenz. Behrendt nutzt sie aber auch sofort, nachdem er sie angelegt hat und entnimmt jeden Tag rund 500 kg für seine Kühe. Sofort nach dem Entnehmen schließt er die Folie wieder sorgfältig.

Wirtschaft und Umwelt profitieren
Die Umstellung auf Apfeltrester bringt für Behrendt wirtschaftliche Vorteile. Die Anbaufläche für den Silomaisanbau reduziert sich auf dem Hof von Wolfgang Behrendt. Das spart direkte Kosten für Saatgut (230,00 €), Dünger (190,00 €), Pflanzenschutz (80,00 €), Bodenbearbeitung (150,00 €), Aussaat (70,00 €), Ernte (330,00 €) und Siliermittel plus Folie (120,00 €) pro Hektar. Diese Angaben sind Orientierungswerte. Die höhere Fettvergütung (0,9 ct/l) durch die Molkerei ab 2025 gleicht die Anschaffungskosten für den Apfeltrester aus. Die freiwerdenden Ackerflächen nutzt der Betrieb zudem für den Anbau von Brotgetreide und Kartoffeln. Das generiert zusätzliche positive Einnahmen.
Neben den wirtschaftlichen Vorteilen gibt es ökologische Gewinne. Der reduzierte Maisanbau minimiert Umweltkosten: den Verlust der Bodenfruchtbarkeit durch Wind- und Wassererosion, die irreparable Unterbodenverdichtung durch schwere Erntemaschinen sowie CO2-Emissionen von etwa 265 kg pro Hektar nur durch den Dieselverbrauch bei Anbau und Ernte. Außerdem bleiben Streuobstflächen erhalten. Ein lebendiger Baum bindet CO2. Er trägt durch Verdunstungsprozesse zur Kühlung und einem positiven Kleinklima bei. Humusproben zeigen: Grünland speichert eine höhere Menge an organischem Kohlenstoff im Boden (bis zu 8,58 kg/m² in den oberen 25 cm) im Vergleich zu Ackerland (5,8 kg/m²). Ein abgestorbener Baum lässt Holz im Boden verrotten, ein lebendiger Baum schützt es. Obstbäuerinnen und Obstbauern aus der Region nutzen den Stallmist der Kühe für die Düngung ihrer Obstbäume. Das schließt einen wichtigen Kreislauf auf dem Hof.
Saturday for future: Jugend forscht an der Klimawirkung von Streuobst
Wolfgang Behrendt inspirierte und betreute den Schüler Benjamin Hammes zu einem JugendForscht Projekt zu der Klimawirkung von Streuobstwiesen. Benjamin hilft Behrendt in den Ferien auf seinem Milchviehbetrieb in Rheinland-Pfalz. Das Ergebnis seines Projekts: Streuobstwiesen haben eine großartige Klimabilanz. Seine Forschung fasste er in einem Plakat und einem Flyer zusammen und erreichte beim Regionalentscheid 2025 in Südbaden den zweiten Platz im Bereich „Geo- und Raumwissenschaften“. Doch Forschung ist nicht genug! Benjamin setzt sich auch dafür ein, dass mehr Menschen für Streuobst anpacken. Seine Idee: Saturdays for future. Die Idee von „Saturday for future“ ist einfach: Das Klima schützen wir durch konkretes Tun am Wochenende in guter Gemeinschaft und mit ganz viel Grün drum herum. Denn: Streuobstwiesen sind gut fürs Klima.
Bedeutung für die Streuobstwelt
Wolfgang Behrendts Ansatz, Apfeltrester als Futtermittel zu nutzen, bietet sowohl Milchviehbetrieben als auch Streuobstakteuren große Vorteile. Er demonstriert, wie Betriebe Kosten sparen, Umweltbelastungen mindern und die Kreislaufwirtschaft stärken. Dieses Beispiel zeigt eindrücklich: Streuobst liefert weit mehr als Saft. Es schafft neue Wertschöpfungsketten und festigt den „Erhalt durch Nutzung“.

Kontakt und weitere Informationen
Wolfgang Behrendt
Landwirtschaftlicher Betrieb Behrendt
behrendt.wolfgang@t-online.de
Präsentationsfolien vom 19. Landesweiten Streuobst Baden-Württemberg 2025: Klimaschutz durch Streuobstwiesen – eine unterschätzte Ökosystemleistung